Wir machen Theater!

Seit einigen Jahren starten die Jugendlichen des neunten Jahrgangs der Montessori-Oberschule Potsdam mit einem Theaterprojekt in das neue Schuljahr. Vier Wochen lang spielen die SchülerInnen der neu zusammengestellten Lerngruppe ausschließlich Theater. Am Ende in der vierten Woche stehen vier Aufführungen. Die Leitung haben die Theaterregisseure Jens Vilela Neumann und Jörg Isermeyer. Begleitet werden sie von zwei LehrerInnen der Schule.

Bei dieser Arbeit werden personale und soziale Schlüsselkompetenzen herausgebildet. Der soziale Zusammenhalt wird gestärkt, eine Entwicklung vom „Ich zum Wir“ wird angeregt. Die Jugendlichen haben die Gelegenheit, auf vielfältige Weise ihr kreatives Potential zu entfalten und weiterzuentwickeln. Sie sind aktiv in die künstlerischen Prozesse einbezogen und sie übernehmen auch viele planerische und organisatorische Aufgaben, die bis zur bühnenreifen Aufführung nötig sind. Auf experimentellem, handelndem Weg kommen sie mit klassischen Stoffen der Weltliteratur in Berührung und erleben eigene Themen, Probleme, Konflikte und Träume eingebettet in einen größeren Zusammenhang. In den vergangenen Jahren wurden „Hamlet“, „Frühlingserwachen“, „Die Nibelungen“, „Die Räuber“ und „Metropolis“ zur Aufführung gebracht.

Die beiden Regisseure haben dafür ein besonderes Konzept entwickelt. Zunächst tragen sie den Jugendlichen die gesamte Handlung auf lebendige, anschauliche Weise mündlich vor. Die Jugendlichen richten für eine lange Zeit ihre Aufmerksamkeit auf diesen Vortrag. Danach wird jede Szene in Gruppen von den Jugendlichen in Improvisationen erarbeitet. Sie werden aufgefordert, die Handlung in unterschiedlichen Genres umzusetzen und werden in Brainstormings unterstützt mit Fragen wie: „Worüber streitet man sich unter Freunden?“, „Warum könnte man eine Reise abbrechen?“, „ An welchen Orten treffen sich Jugendliche?“, „Wo kann man jemanden hinschicken, wenn man ihn loswerden will?“ etc. Bei diesen Gruppenarbeiten machen die Jugendlichen elementare soziale Erfahrungen wie: „Wenn einer bei einer Gemeinschaftsaufgabe nicht dabei ist, ist die Energie zerstört und die Aufmerksamkeit geht dort hin.“ (Jens Neumann). Sie lernen, dass es auf jeden Einzelnen ankommt. Dabei gehen einige Jugendliche über ihre Grenzen hinaus und machen völlig neue Erfahrungen mit sich selbst.

Jeder Tag beginnt mit intensivem Schauspieltraining.  Die SchülerInnen lernen, körperliche Ausdrucksmittel wie Haltung, Bewegung, Stimme und Blick zu erforschen und gezielt einzusetzen. Sie werden sicherer und selbstbewusster, können sich  besser in andere einfühlen, werden aber auch mit eigenen Grenzen konfrontiert. Sie lassen sich darauf ein, Gefühle wahrzunehmen und Emotionen überzeugend auszudrücken. In Schreibaufgaben werden die Jugendlichen zusätzlich eingeladen, über sich selbst nachzudenken. Sie schreiben über ihren Alltag und über Themen wie Familie, Liebe, Freundschaft, Sexualität. Die Improvisationen der Jugendlichen und ihre Texte bilden nun die Vorlage für das Script, das die Regisseure am Ende der zweiten Woche verfassen und anschließend den Jugendlichen vorstellen.

Nun geht es darum, dass jede/r seine/ihre Rolle findet und ausfüllt. Eine Woche lang und an einem langen Wochenende wird das gesamte Stück an jeweils besonderen Orten von Potsdam inszeniert, geprobt und aufgeführt. Solche besonderen Orte waren in den vergangenen Jahren der Wildpark, ein Bauernhof, der Pfingstberg oder der Buga Park. Mit viel Engagement und Improvisationstalent wurden diese Orte zu phantastischen Theaterkulissen und Bühnen. Am Ende von vier Aufführungen sind die SchülerInnen stolz auf ihre neuen Fähigkeiten. Sie sind über sich selbst hinausgewachsen und haben als Gruppe zusammengefunden. So starten sie voller Elan und satt von Erfolgserlebnissen in ihre beiden letzten Jahre an unserer Schule.

Susanne Straub-Scharnhorst

Das Theaterprojekt des neunten Jahrgangs